Glaube im Herzen: Steuern sparen durch Kirchenaustritt?

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Lydia schüttelte ungläubig den Kopf, als sie ihren Kontostand sah. Der kürzliche Junggesellenabschied ihrer besten Freundin hatte ein größeres Loch in die Haushaltskasse gerissen, als ihr lieb war. Dabei verdiente sie doch gar nicht so wenig. Sie kramte ihre letzte Gehaltsabrechnung hervor und starrte auf den Zettel, als könne das ihr Geld wieder hervorzaubern. An einer Position blieb sie hängen: die Kirchensteuer.

Religiös war sie doch gar nicht, ließe sich da nicht mit dem Kirchenaustritt ein bisschen Geld sparen? Was würde das für Vor- und Nachteile mit sich bringen?

Zahlen zur Kirche

Die Kirche hat im Vergleich zu Zeiten unserer Großeltern deutlich an Bedeutung verloren. Sie ist längst nicht mehr so stark in unser tägliches Leben eingebunden, wenn dies überhaupt noch der Fall ist. 2022 markiert einen neuen Höhepunkt der Kirchenaustritte: Mehr als 900.000 Menschen traten aus, davon 42% aus der evangelischen und 58% aus der katholischen Kirche.

Kirchenaustritte nach Konsession bis 2022; Quelle: statista
Anzahl der Kirchenaustritte in Deutschland nach Konfessionen von 1992 bis 2022; Quelle: Statista

Der Trend besteht schon länger: Nach Angaben der fowid sind aktuell 40 Millionen Menschen in Deutschland Kirchenmitglieder (Stand Dezember 2022), das entspricht etwa 47,5% der Gesamtbevölkerung. In Jahr 2010 waren dies noch 59,4%, im Jahr 2000 sogar noch 65%.

Wie viel Kirchensteuer zahle ich?

Kirchenmitglieder in Bayern und Baden-Württemberg zahlen 8% Kirchensteuer, in den anderen Bundesländern muss man 9% zahlen.

Die Kirchensteuer wird auf die Einkommenssteuer berechnet. Sie verringert sich, wenn du Kinder hast und dadurch Kinderfreibeträge geltend machen kannst. Liegt dein Einkommen unter dem Steuer-Grundfreibetrag (10.347€), dann wird für dich weder Einkommens- noch Kirchensteuer fällig.

Beispiel zur Berechnung der Kirchensteuer:

Jährliches Einkommen:30.000 Euro
Einkommensteuer:4.700 Euro
Kirchensteuer:376 Euro (8 %)
bzw. 423 Euro (9 %)
Beispiel zur Berechnung der Kirchensteuer; Quelle: Vereinigte Lohnsteuerhilfe

Wie viel Kirchensteuer kann ich sparen?

Bei einem Einkommen von 30.000€ ca. 400€ pro Jahr sparen anstatt zahlen – das klingt schon mal nicht schlecht. Doch nicht der ganze Betrag schafft es durch den Austritt aus der Kirche auf dein Konto.

Das liegt daran, dass die gezahlte Kirchensteuer bei der Einkommenssteuererklärung als Sonderausgabe angegeben werden kann. Sie verringert das zu versteuernde Einkommen und damit auch die zu zahlende Einkommenssteuer. Lediglich der Sonderausgabenpauschbetrag (36€, 72€ für Ehepaare) muss davon abgerechnet werden.

Ein Single mit einem Einkommen von 30.000€ und Kirchensteuerzahlungen von 423€ könnte demnach 387€ als Sonderausgaben angeben.

Tritt man aus der Kirche aus, so zahlt man also leicht mehr Einkommenssteuer als zuvor. Dafür entfallen die Zahlungen an die Kirche in voller Höhe.

Kirchenaustritt: Welche Folgen hat das für mich?

  • Steuern: Nach Kirchenaustritt zahlst du keine Kirchensteuer mehr. Entsprechend mehr Geld wird monatlich mit der Gehaltszahlung auf dein Konto überwiesen.
  • Kirchliche Trauung: Als Nicht-Kirchenmitglieder kirchlich zu heiraten ist eher schwierig. Wenn dein Partner Kirchenmitglied ist, ist es kein Problem. Seid ihr beide ausgetreten oder wart nie in der Kirche, dann wird es schwierig. Unter bestimmten Umständen ist es aber trotzdem möglich, dies muss individuell mit der Gemeinde abgesprochen werden.
  • Taufe: Die Kirchen möchten stets, dass mindestens ein Elternteil Mitglied der Kirche ist, wenn ein Kind getauft werden soll. Es ist jedoch nicht in allen Landeskirchen Voraussetzung. Die finale Entscheidung liegt hier bei Pfarrer.
  • Religionsunterricht: Gehören deine Kinder keiner Religion an, so sind sie nicht verpflichtet am Religionsunterricht in der Schule teilzunehmen
  • Karriere: Dein Austritt aus der Kirche verringert eventuell deine Jobchancen bei kirchlichen Trägern. Zwar dürfen Diakonie, kirchliche Kindergärten etc. eine Mitgliedschaft in der Kirche nicht mehr von dir verlangen, in der Praxis kann es aber durchaus sein, dass sich für diesem Grund für einen anderen Bewerber entschieden wird (mehr Infos dazu hier).

Wie kann ich aus der Kirche austreten?

Zuständig für Kirchenaustritte ist das Standesamt bzw. das Einwohnermeldeamt. Du musst deinen Personalausweis oder Reisepass mitbringen und ein entsprechendes Formular ausfüllen. Bist du verheiratet, dann kann es sein, dass auch die Heiratsurkunde mit angefordert wird.

Die Behörden lassen sich den „Aufwand“ für deinen Austritt bezahlen und erheben eine kleine Gebühr. Ich habe damals 25€ gezahlt, die Gebühren können aber auch etwas höher sein.

Fazit

Ob du aus der Kirche austreten möchtest oder nicht ist eine persönliche Entscheidung, die in erster Linie von dir und deinem Glauben abhängig ist. Entscheidest du dich dafür auszutreten, dann zahlst du zwar keine Kirchensteuer mehr, bekommst aber eventuell Schwierigkeiten, wenn du kirchlich heiraten oder deine Kinder taufen lassen möchtest.

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Queen All

    Der Austritt meines Mannes war damals tatsächlich kostenlos. Und zum ersten Mal hat sich die Kirche für ihn interessiert – er hat gleich einen zweiseitigen Brief vom Pfarrer bekommen um ihm ein schlechtes Gewissen zu machen.
    Da wir nicht gläubig sind, ist es für uns selbstverständlich, dass wir dieses Geld lieber an andere soziale Einrichtungen spenden. Und mal abgesehen davon halte ich es für ein völlig aus der Zeit gefallenes System, dass der Staat die Abgaben für die Kirche einsammelt. Trennung von Kirche und Staat sieht meiner Meinung nach anders aus!
    Liebe Grüße
    Vanessa

    1. Hanna

      Da bin ich 100% deiner Meinung, Kirche und Staat sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Unglaublich eigentlich, dass die Kirchensteuern direkt vom Gehalt einbehalten werden und man nicht von der Kirche selbst dazu aufgefordert wird, sofern man denn Kirchenmitglied ist