Das Deutschland-Ticket: Aufwind für den ÖPNV?

Seit Mai gibt es das 49€ Ticket, beziehungsweise das Deutschland-Ticket. Die Idee dahinter ist, den öffentlichen Nahverkehr attraktiver und für alle Menschen zugänglich(er) machen. Hast du dir das 49€ Ticket bereits gekauft? In diesem Artikel erfährst du meine Sichtweise auf das Ganze und warum ich jeden Monat neu entscheide, ob ich es mir kaufe oder nicht.

Was ist das Deutschland-Ticket?

Nach dem Vorbild des 9€ Tickets im Sommer 2022, das sehr gut angenommen wurde, wurde das Modell des Deutschland-Tickets entwickelt. Dieses gilt ebenfalls für den öffentlichen Nahverkeht (ÖPNV) in ganz Deutschland. Es gibt jedoch einige Unterschiede in Vergleich zum 9€ Ticket.

Zum Beispiel gab es beim 9€ Ticket einheitliche Regelungen im gesamten Bundesgebiet, während beim neuen Deutschland-Ticket regional mitunter große Unterschiede bestehen. Diese sind nicht direkt im Preis sichtbar, aber in der Verrechnung von Zeitkarten und den Mitnahmemöglichkeiten für Kinder, Fahrräder und Hunde.

Ebenso bieten manche Bundesländer bzw Kommunen Verrechnungsmöglichkeiten mit den geltenden Tickets für Senioren und sozial Benachteiligte.

Der Arbeitgeber kann das Deutschland-Ticket im Rahmen des Jobtickets mit bis zu 25% (ca. 12€) bezuschussen. Zudem gibt es das 49€-Ticket im Abo, während das 9€ Ticket für Juni bis August 2022 einzeln gekauft werden konnte.

9€-TicketDeutschland-Ticket
– feste Laufzeit
– einheitliche Regelungen
– einzeln zu kaufen
– Laufzeit unbegrezt
– regionale Unterschiede
– als Abo zu kaufen, kann aber monatlich storniert werden
Unterschiede 9€-Ticket und Deutschland-Ticket

Ziele des Deutschland-Tickets

Mit dem Deutschland-Ticket werden gemäß des Presse- und Informationsamts der Regierung zwei verschiedene Ziele verfolgt:

Zum einen möchte man der Bevölkerung finanziell entgegen kommen. Durch die Inflation sind in der letzten Zeit die Preise viele Dinge stark angestiegen – die Löhne der Menschen sind aber nicht oder vielfach nur in geringem Umfang angestiegen. Dies stellt besonders Geringverdiener und Teilzeitkräfte vor große Herausforderungen.

Zweitens möchte man Menschen dazu anregen, den ÖPNV stärker zu nutzen. Dies ist vor allen aus ökologischen Gründen sehr erstrebenswert.

Ich werde im Folgenden beleuchten, wie gut sich beides durch das Deutschland-Ticket erfüllen lässt.

1. Finanzielle Entlastung

Die Preisfrage: Aktuelle Konditionen

Für 49€ im Monat kann man nun den ÖPNV in ganz Deutschland nutzen: Busse, Straßenbahnen und Regionalzüge. Dies ist vor allem für Pendler, die den öffentlichen Nahverkehr an Stelle des eigenen Autos nutzen, eine große Erleichterung.

Mein erster Job nach dem Studium zum Beispiel lag außerhalb der Stadt in der ich wohne, zählte aber noch zur Region. Jeden Morgen musste ich die Regional- oder die S-Bahn nutzen und war je nach Zug 15-25 Minuten damit unterwegs. Um jeden Tag hinfahren zu können, brauchte ich eine Monatskarte über 3 Tarifzonen. Für diese musste ich sage und schreibe 115€ jeden Monat zahlen – durch das Deutschland-Ticket hätte ich hier also einiges sparen können.

Die Preisfrage: Ausblick auf die Zukunft

Leider soll es nicht bei den bisher geltenden 49€ für das Nahverkehrs-Ticket bleiben – schon jetzt hört man von geplanten Erhöhungen im Jahr 2024 und kann davon ausgehen, dass hier auch noch weitere Preisanpassungen kommen werden. Dies ist auch der Grund, warum man jetzt vom Deutschland-Ticket und nicht mehr vom 49€ Ticket spricht.

Bei den Erhöhungen sollte man meiner Meinung nach allerdings vorsichtig sein: schon 49€ sind ein Betrag, den man nicht einfach mal so ausgibt. Gerade auch nicht in Zeiten der Inflation, wo der Gürtel für viele sowieso enger sitzt.

29€ wäre da angemessener gewesen: Dieser Betrag kommt schnell mal zusammen, wenn man ab und an die Bahn nutzt.

Steigt der Preis für das Deutschland-Ticket nun noch über die besagten 49€, so wird es sich letztendlich auch in weniger Fällen und für weniger Menschen lohnen – was ja eigentlich nicht Sinn und Zweck des Ganzen ist.

2. Attraktiver ÖPNV

Mit Bus und Bahn komme ich (nicht) überall hin

Der ÖPNV wird für viele Menschen attraktiv, wenn viele ihn bequem nutzen können. Dafür braucht es eine gute Infrastruktur und regelmäßige Fahrten der Busse und Bahnen.

Was macht den ÖPNV attraktiv?

  • gut ausgebautes Liniennetz
  • regelmäßig fahrende Busse und Bahnen

Das ist leider noch nicht überall der Fall. Hätte ich zum Beispiel vorgehabt, mehrere Jahre in meinem ersten Job zu bleiben, dann hätte ich mir wohl aber ein Auto zugelegt. Zwar spricht unter ökologischen Gesichtspunkten einiges dagegen, aber die Fahrt mit dem Auto wäre eine große Zeitersparnis für mich gewesen.

Denn jeden Tag brauchte ich pro Strecke eine knappe Stunde von Tür zu Tür: Von zu Hause zum Bahnhof ging ich entweder zu Fuß oder nahm mein Rad, welches aufgrund von diversen Ampeln aber auch nicht viel schneller war, dann fuhr ich mit dem Zug und anschließend musste ich nochmal eine Strecke von 20 min zu Fuß zurück legen oder etwa 10 min auf den Bus warten, der dann auch weitere 10 min brauchte.

Hinzu kommt, dass Züge ja doch ab und an mal mit mehr oder weniger großer Verspätung losfahren oder auch mal ausfallen. Mit dem Auto wäre ich in etwa 20-25 Minuten bei der Arbeit gewesen. Auch hier kann man natürlich in den Stau kommen, keine Frage. Im Schnitt wäre es wohl dennoch deutlich schneller gewesen, gerade auch weil morgens nicht so viele Menschen stadtauswärts fahren, sondern die meisten in die Stadt zu ihrer Arbeit müssen.

Eine Stunde für den Weg also. Dabei ist der ÖPNV in meiner Stadt noch recht gut ausgebaut, auf dem Land sieht es noch einmal ganz anders aus. Hier ist es unter Umständen gar nicht möglich, mit Bus und Bahn morgens zu seinem Arbeitsplatz zu kommen, da Busse nur selten fahren und dann auch jedes Dorf auf der Strecke mitnehmen, sodass sie entsprechend lange brauchen. In solchen Regionen ist man praktisch auf ein eigenes Auto angewiesen – Deutschland-Ticket hin oder her.

Warum Menschen den ÖPNV nicht nutzen:

  • großer Zeitaufwand
  • selten fahrende Busse und Bahnen
  • keine Haltestelle im Wohnort
  • eigenes Auto ist ohnehin vorhanden

Damit auch Menschen in ländlichen Regionen den öffentlichen Nahverkehr mehr nutzen, müsste man das Angebot hier großflächig ausbauen. Allein günstige Preise bringen nichts, wenn man durch Nutzung des ÖPNV super unflexibel ist und für die einzelnen Fahrten sehr viel Zeit einplanen muss.

Das Dorf-und-Auto-Dilemma

Andererseits kann man nicht davon ausgehen, dass der ÖPNV in Dörfern direkt stark zunimmt, wenn ab dem nächsten Monat häufiger Busse fahren und diese auch neue, kürzere Routen bekommen.

Der Grund hier: Das man auf dem Dorf ein Auto braucht, ist allseits bekannt. Die Menschen, die dort wohnen haben in der Regel eines, oder schaffen sich im Rahmen ihres Umzugs dorthin eines an. Auch mehrere Autos pro Haushalt sind nichts Ungewöhnliches – schließlich muss jedes Familienmitglied mobil sein.

Und wenn man bereits ein Auto besitzt, dann sind die ÖPNV Angebote meist nicht wirklich relevant – die Kosten fürs Auto trägt man ja so oder so. Bequemer als Busfahren ist das eigene Auto definitiv.

Man würde eventuell Spritkosten sparen, hätte allerdings die Fahrkarten-Kosten zu tragen. Bei den aktuellen Spritpreisen hätte man 49€ zwar einigermaßen schnell drin, dennoch bezweifle ich stark dass sich viele Menschen hier umgewöhnen würden.

Chancen für den ÖPNV im Dorf:

  • das Auto geht kaputt und muss ersetzt werden
  • insgesamt wird das Dorf als Wohnort attraktiver

Dies mag aber eventuell der Fall sein, wenn das Auto kaputt geht und ersetzt werden muss. Hier überlegt man sich dann vielleicht, ob man tatsächlich ein neues braucht, oder ob man nicht auch den ÖPNV nutzen kann.

Zugleich würde das Dorf attraktiver für Menschen werden, die in der Stadt wohnen und kein eigenes Auto besitzen. Ein Eigenheim plus ein neues Auto ist meist schwer tragbar, kann man hier weiterhin den ÖPNV nutzen, können es sich mehr Menschen leisten.

Man kann den Faden jetz noch beliebig weiter spinnen: Durch den Zuzug aus der Stadt steigen die Preise für Häuser auf dem Land etc. – damit kommen wir aber ab vom eigentlichen Thema dieses Artikels.

Mein Fazit

Das Deutschland-Ticket ist eine gute Initiative, die es meiner Meinung nach schon viel eher gebraucht hätte. Es entlastet Menschen, die beruflich oder privat viel den ÖPNV statt dem eigenen Auto nutzen und setzt Anreize zum umweltfreundlichen Handlen.

Es macht den ÖPNV auch attraktiver, allerdings ist es allein damit nicht getan. Denn der Umstieg auf Bus und Bahn setzt auch voraus, dass diese regelmäßig fahren und nicht blos ein paar mal am Tag. Zudem sind Menschen, die bereits ein Auto besitzen, tendenziell schwierig für den ÖPNV zu begeistern.

Antworten aus der Community: werdet ihr das Deutschland-Ticket nutzen?

Ich habe einmal in die Runde gefragt: Werdet ihr das Ticket nutzen? Die meisten sind sich einig, dass das 49€-Ticket prinzipiell eine gute Sache ist.

Insbesondere sei es das für Menschen, die im städtischen Raum leben. Infrastruktur-Probleme in ländlicheren Regionen würden damit aber wohl kaum behoben werden.

Es heißt das Ticket lohne sich nicht, wenn man selten unterwegs ist. Es sei aber zum Beispiel eine gute Lösung für Pendler, die sich ohnehin Monatskarten kaufen um zu ihrem Arbeitsplatz zu kommen.

Ein Leser berichtet, dass ihn die Monatskarte für den ÖPNV in seiner Stadt bis dato 60€ kostete, inklusive Fahrradmitnahme. Nun sind es 49€ für das Deutschland-Ticket plus 12€ fürs Mitnehmen des Fahrrads, sodass es preislich inetwa das selbe ist. Nur kann er jetzt nicht nur in seiner Stadt den ÖPNV nutzen, sondern in ganz Deutschland.

Zudem wird genannt, dass man durch das neue Ticket vielfältigere Möglichkeiten für die aktive Freizeitgestaltung hat und mehr Städte in der näheren und weiteren Umgebung (spontan) besuchen kann.

Schon wenn man wenige Male im Monat beruflich die Bahn nutze, würde sich das Ticket auszahlen, schreibt eine andere Leserin.

Mein Meinung: Dann werde ich es mir kaufen

Wenn ihr meinen Blog schon länger lest, dann wisst ihr dass ich in einigen Situationen auf den ÖPNV angewiesen bin. Im Alltag bin ich in der komfortablen Situation, meine Wege zum Großteil mit dem Rad oder zu Fuß zurücklegen zu können.

Ein Auto gibt es in meinem Haushalt derzeit nicht. Es gab zwar übergangsweise eins und ich habe durchaus die Vorteile davon schätzen gelernt, eines selbst zu besitzen macht wirtschaftlich gesehen aber keinen Sinn. Abgesehen davon ist der ökologische Impact natürlich auch deutlich besser, wenn man darauf verzichten kann.

Ich nutze den ÖPNV aber regelmäßig, wenn ich weitere Strecken zurücklegen muss. Sei es, um meine Familie oder gute Freunde zu besuchen, oder auch um in Orte in der Region zu kommen, die nicht oder nur schlecht per Fahrrad erreichbar sind.

Aus diesem Grund lohnt sich das 49€ Ticket pauschal für mich nicht – es kommt eben darauf an, was ich in dem Monat geplant habe.

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Queen All

    Leider ist der ÖPNV nicht nur hier eine Katastrophe, Busse fahren selten und wenn wir mal mit der Bahn fahren, kommt diese eigentlich immer zu spät. Mit dem Auto benötige ich gerade mal ein Drittel der Zeit, um ins Büro zu kommen und bin dazu flexibel. Aber wenn wir ausgehen, nehmen wir eigentlich immer Bus und Bahn. Allein schon, damit wir beide guten Gewissens das eine oder andere Bier trinken können. Aber wenn man eh ein Auto hat, sind die Kosten für den ÖPNV Luxus, da sparen wir nicht wirklich etwas.
    Das Deutschland-Ticket ist damit viel zu teuer und solange der Rest nicht passt, ist es keine Option. Und das Argument, dass man es ja in ganz Deutschland nutzen kann, ist nicht wirklich überzeugend. Wer einmal mit dem 9-€-Ticket eine längere Strecke inklusive diverser Bahn-üblicher Vorfälle (statt 1,5 habe ich 4 h für die Strecke gebraucht) durch Deutschland gereist ist, wird sich für etwas mehr Geld lieber ein „richtiges“ Ticket kaufen.

    1. Redaktion

      Du sagst es, alleine durch das Ticket werden kaum mehr Menschen den ÖPNV nutzen. Dazu sind 49€ ein Betrag, bei dem man es sich sehr wohl überlegt ihn auszugeben. Schade eigentlich, denn an sich ist das Deutschland-Ticket ja eine gute Initiative.