Erreichbarkeit im Urlaub: Mails lesen oder nicht?

Erreichbarkeit im Urlaub - Mails lesen oder nicht

Die meisten Menschen planen im Sommer ihren Urlaub ein, da dann gutes Wetter ist, man ein halbes Jahr (fast) durchgängig gearbeitet hat und die Kinder durch die Sommerferien sowieso frei haben und betreut werden müssen.

Doch die Projekte bei der Arbeit pausieren nicht, nur weil ein Mitarbeiter im Urlaub ist. Und so stellt sich jedes Jahr auf neue die Frage: Wie viel muss und will ich als Arbeitnehmer im Urlaub erreichar sein?

Was sagen die Gesetze?

Per Gesetz heißt es: gar nicht. Nach §8 des Bundesurlaubsgesetzes ist geregelt „während des Urlaubs darf der Arbeitnehmer keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten„.

Das heißt, man sollte nich nur nicht erreichbar sein, man darf auch während des Urlaubs gar nichts tun, was mit der Arbeit zusammenhängt. Also keine E-Mails lesen, nicht erreichbar sein und eigentlich auch keine Gedanken an die Arbeit verschwenden, denn Urlaub soll zur Erholung da sein.

Andererseits gilt auch die allseits bekannte Regel „wo kein Kläger, da kein Richter„. Spätestens seit der Corona-Krise und dem Einmarsch von Home-Office Regelungen in unsere Arbeitswelt sind „Arbeit“ und „Freizeit“ manchmal nicht so klar voneinander abzugrenzen, wie es früher einmal der Fall war.

Hast du von deinem Arbeitgeber ein Diensthandy bekommen, dann ist die Hürde ohnehin niedrig, nocheinmal über Outlook oder Teams in den beruflichen Kontext abzutauchen, auch wenn eigentlich gerade keine Arbeitszeit ist. Das ganze ist Fluch und Segen zugleich: Einersseits ist es super praktisch, von überall Anrufe tätigen und E-Mails beantworten zu können. Andererseits ist man dadurch auch jederzeit für den Arbeitgeber erreichbar – auch dann, wenn man eigentlich frei hat.

Erreichbarkeit im Urlaub: ein Generationenkonflikt?

Es gibt überall Kollegen, die trotz ihres Urlaubs E-Mails lesen und beantworten. Sie tun dies entweder aus starkem Pflichtbewusstsein, weil sie sich stark mit ihrer Arbeit identifizieren oder aber – und ich hoffe ich kann das hier so schreiben – weil sie die schlichtweg auch im Urlaub die Zeit dazu haben, da es ihn ihrem Privatleben eher wenig gibt, um das sie sich kümmern müssen oder wollen.

Wenn Du selbst bei der Arbeit bist und an so einen Kollegen eine Frage hast, kann dir das sehr in die Karten spielen. Denn selbst bei einem mehrwöchigen Urlaub des Kollegen musst du nicht lange auf eine Antwort warten.

Hast du allerdings viele solcher Kollegen, dann wird schnell die Vermutung laut, das sein in der Firma „so üblich“. Häufig wird das Ganze mit der Phrase verbunden, es sei doch „vorteilhaft für alle„. Heißt übersetzt: auch du sollst regelmäßig deine E-Mails checken, wenn du im Urlaub bist.

In Zeiten von New Work und der Konflikte zwischen den Generationen X, Y und Z mag dies nicht für jeden das sein, was er sich vorgestellt hat (zumal per Gesetz ja auch nicht erlaubt). Auch die Debatte um Quiet Quitting wird derzeit laut. Viele, gerade junge Menschen, möchten nicht jeden Tag Überstunden leisten und mit den Gedanken pausenlos bei der Arbeit sein. Sie machen „Dienst nach Vorschrift“ – also genau das, was in ihrem Arbeitsvertrag steht, mehr nicht Und man kann ihnen hier keinen Vorwurf machen.

Ist man Quit Quitter, wenn man nicht erreichbar ist?

Zum Quiet Quitting Ansatz passt E-Mails lesen im Urlaub aber wohl kaum. Doch sind lange nicht alle Menschen, die in ihrem Urlaub keine E-Mails lesen, gleich Quiet Quitter. Denn wenn du nicht online bist, dann kann das auch andere Gründe haben, zum Beispiel:

  • du möchtest schlicht und einfach deinen Urlaub genießen
  • du hast privat viel um die Ohren, musst dich zum Beispiel um deine Kinder oder andere Familienangehärige kümmern
  • du machst eine aufregende Reise / besuchst ein Festival
  • du brauchst ein bisschen Zeit für dich und möchtest bewusst mal nicht an die Arbeit denken
  • du möchtest deinen Hobbies voll und ganz nachgehen

Aus meiner Sicht alles sehr verständlich und dazu für den Chef irrelevant – du hast schließlich Urlaub und den kannst du genau so gestalten, wie du es möchtest und für richtig hältst.

Die genannten Gründe, warum E-Mails im Urlaub nicht gelesen werden, bedeuten nicht, dass man sich nicht mehr mit der Arbeit identifiziert oder sich nicht mehr für die Firma einsetzt. Es heißt einfach, dass der Mitarbeiter auch ein Privatleben hat und dieses nicht zulässt, dass er oder sie mit den Gedanken pausenlos bei der Arbeit ist.

Dass es noch ein Leben neben der Arbeit gibt, weiß man in der Arbeitswelt spätestens seit der Work-Life-Balance-Debatte. Aber eigentlich sollte es sowieso jedem von uns klar sein. Wer nur arbeitet, wird vielleicht gut in seinem Job, aber insgesamt nur bedingt glücklich. Denn das Leben ist viel zu facettenreich, um es einzig auf die Arbeit zu beschränken.

Häufig brauchen Menschen Stabilität und Rückhalt im privaten Umfeld, um überhaupt richtig produktiv arbeiten zu können. Denn wir sind alles keine Maschinen, die man an den Arbeitsplatz schickt und die dann 8 Stunden lang pausenlos funktionieren – das wird leider manchmal vergessen.

Warum Arbeitgeber sich Erreichbarkeit im Urlaub wünschen

Aus Sicht der Firma gibt es durchaus einige Vorteile, wenn Mitarbeiter im Urlaub ihre E-Mails lesen: Projekte geraten weniger ins Stocken, weil Informationen fehlen, Mitarbeiter sind gedanklich bei der Arbeit und generieren dabei mitunter Ideen und Lösungsansätze, nach dem Urlaub müssen sich die Mitarbeiter weniger wieder in die Themen einarbeiten, da sie ohnehin nie ganz weg waren und einiges mitbekommen haben.

Klingt super, oder? Würdest Du als Unternehmensinhaber deine Mitarbeiter auch dazu anregen, während ihres Urlaubs E-Mails zu lesen und zu beantworten? Oder würdest du wollen, dass sie ein paar Wochen wirklich frei machen, sich aktiv erholen und so Burnout und Depressionen vorbeugen?

Warum es für dich manchmal doch Sinn machen kann

Nun bist du vielleicht neu im Unternehmen, arbeitest an deiner Karriere und möchtest dein Projekt erfolgreich zu Ende führen. Vielleicht willst du auch gar nicht, das dies in deiner Abwesenheit jemand anderes übernimmt, weil so viel Mühe und so viele Gedanken darin stecken? Was wäre, wenn jemand anderes wichtige Dinge im Ablauf vergisst und das Projekt deshalb schief läuft?

Es mag durchaus Jobs und Situationen geben, in denen du auch im Urlaub erreichbar sein  und deine E-Mails lesen willst. Und das ist vollkommen okay, solange dir bewusst ist, dass du das freiwillig machst. Weil du in deinem Job weiterkommen willst, weil die Arbeit und das Projekt dir wichtig sind und / oder dir Spaß machen. Und nicht, weil eine andere Person dir gesagt hat, das sei so üblich.

Fazit

Die Entscheidung, ob du und auch im Urlaub erreichbar bist deine E-Mails liest, liegt schlussendlich bei dir. Kein Arbeitgeber der Welt kann dich dazu zwingen, während deines Urlaubs zu arbeiten, und auch kein Kollege kann das. Im Gegenteil – wenn man es genau nimmt, verstößt du sogar gegen ein Gesetz, wenn du dich im Urlaub der Arbeit zuwendest. Tust du dies, ist es für deinen Arbeitgeber eigentlich immer von Vorteil, für dich aber nur in einigen wenigen Situationen. Immer gilt es zu bedenken, dass du dich weniger erholen kannst, wenn du im Urlaub E-Mails liest. Empfehlen würde ich es dir daher nicht.

Wenn du in deinem Urlaub die Erholung in den Vordergrund stellst und keine E-Mails liest, ist dies keinesfalls mit Quiet Quitting gleichzustellen. Hierfür kann es die verschiedensten persönlichen Gründe geben, nicht zuletzt den, dass du einfach ein bisschen Abstand von der Arbeit haben willst, bevor du dich wieder voll und ganz darauf konzentrierst.

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Amelie

    ich sehe das wie du, Urlaub ist zur Erholung da! Ich finde es schlimm dass sich viele Angestellte immer noch verpflichtet fühlen, auch im Urlaub an die Arbeit zu denken, Mails zu checken und gefühlt schon die nächste Präsentation im Kopf haben – kenne das nur zu gut aus meinem Umfeld

    liebe Grüße,
    Amelie

  2. Queen All

    Im Urlaub wird nicht gearbeitet. Punkt! Da gibt es keine Entscheidung. Wenn jemand aus meinem Team das tun möchte, lehne ich das als Führungskraft ab. Nicht nur, weil es dazu ganz klare Regeln gibt. Ich möchte auch, dass die Mitarbeiter ihren Urlaub für sich nutzen und mal den Kopf richtig frei bekommen. Nur so entstehen hinterher auch wieder gute neue Ideen. D.h. auch, dass ich niemanden im Urlaub kontaktiere und das selbst auch so vorlebe. Hat keinesfalls etwas mit fehlender Motivation oder Quiet Quitting zu tun. Im Gegenteil, wenn ich gut für mich sorge – und dazu gehört auch Urlaub – kann ich während der Arbeitszeit Vollgas geben und mit Begeisterung auch gerne mal 200 % geben.