Über Geld sprechen: Wie viel verdienst Du?

Wie vielen Menschen hast Du jemals schon die Frage gestellt, wie viel sie verdienen? Vermutlich kaum jemandem, denn die Frage nach dem Gehalt gilt im Allgemeinen als sensibel. Über Geld spricht man nicht. Ähnlich, als würde man jemanden nach seinem Gewicht fragen. Danach fragt man nicht, heißt es, das gehört sich nicht.

Es gibt nur wenige Themen, die in Deutschland so wenig diskutiert werden wie das Thema Geld. Damit meine ich nicht, wie viel Geld für etwas ausgegeben wurde, was für ein Schnäppchen man eventuell vor Kurzem gemacht hat oder wie viel teurer doch alles geworden ist. Ich meine das Geld, das man monatlich zum Leben zur Verfügung hat

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Frag doch einfach nach!

Es gibt Leute, die ich ganz einfach nach ihrem Geld fragen könnte. Von diesen Menschen würde ich gewiss eine kaum verwunderte Reaktion und eine ehrliche Antwort bekommen. Denn das Thema ist für sie entweder weniger sensibel oder man kennt sich gut und steht sich so nahe, dass dies kein Problem ist.

Doch dies gilt längst nicht für alle Menschen. Wir pflegen hierzulande eine Kultur, indem es unüblich ist, nach dem Gehalt zu fragen – entsprechend wird die Frage auch weniger erwartet und weniger freudig beantwortet.

Einmal habe ich durch Zufall mitbekommen, wie viel eine Freundin verdient. Dies war mir ziemlich unangenehm, ich hatte das Gefühl, mehr über sie zu wissen als eigentlich gut wäre. Daher habe ich sie auch nicht mehr drauf angesprochen sondern einfach so getan, als hätte ich es nie erfahren.

Offenbarung & Vertrauen

Wie viel Geld man monatlich zur Verfügung hat, ist für viele eine sehr persönliche Sache. Dementsprechend ist die Auskunft darüber für sie eine kleine „Offenbarung“ über sich selbst und seine derzeitige Situation. Gibt man diese Information preis, will man sich sicher sein, dass sie auch gut aufgehoben ist. Hier spielt auch die Beziehung zu der Person, der man das anvertraut, eine große Rolle. Schließlich möchte man nicht, dass es groß rumerzählt wird.

Und man möchte nicht, dass der andere es für eigene Zwecke nutzt – oder etwa doch? Was wäre denn, wenn wir selbst Zugang zu diesen Informationen von verschiedenen Personen hätten? Wenn das eigene Gehalt für alle Menschen nicht mehr so sensibel und persönlich wäre?

Was bewirkt mehr Transparenz?

Nicht in allen Ländern wird das Thema Geld so zurückhaltend beäugt. In Schweden ist sogar das Gegenteil der Fall: Steuererklärungen und private Schulden sind öffentlich einsehbar. Man bekommt die Informationen über das Finanzamt oder private Internetdienste gegen eine kleine Gebühr. Damit möchte die schwedische Regierung Vertrauen in das Steuer- und Sozialsystem schaffen.

Für dich als Einzelperson bietet dies eine Reihe an neuen Möglichkeiten:

Bekomme ich ein gerechtes Gehalt?

Ganz einfach kannst Du nachsehen, wie viel Geld deine Kollegen mit ähnlichen Tätigkeitsfeld in der Firma verdienen. Dies kann  bei Gehaltsverhandlungen ungemein hilfreich für dich sein und deine Position stärken. Ebenso führt es dazu, dass es weniger Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen bei der gleichen beruflichen Tätigkeit gibt.
Auch Berufsanfänger hätten es leichter. Für sie ist es derzeit schwierig ein realistisches Einstiegsgehalt bei ihrer Bewerbung zu nennen, da es wenig Richtwerte gibt, an denen sie sich orientieren können. Durch Portale wie Glassdoor oder kununu gibt es aber durchaus auch jetzt schon Informationen, die in diese Richtung zeigen.

Wir könnten unsere eigene Situation mit anderen vergleichen.

Moment mal, Person XY war doch in meinem Semester, warum verdient sie jetzt einen ganz anderen Betrag als ich? Das kann uns dazu anregen, unsere eigene Situation zu ändern (wenn Person XY deutlich mehr verdient) oder uns zeigen, dass wir finanziell ganz gut dastehen.

Allerdings muss man hierzu sagen, dass Aufgabenfelder und Verantwortungsbereiche häufig nicht 1:1 miteinander vergleichbar sind. Das Gehalt ist nur eines von vielen Kriterien für unsere Arbeit und das, was wir täglich leisten.

Das Thema Geld wird präsenter.

Die direkte Vergleichbarkeit kann dazu führen, dass man sich insgesamt mehr mit dem Thema Geld auseinandersetzt. Dabei würden wir mehr über Geld sprechen und könnten so auch von anderen Menschen mehr über den Umgang damit lernen.

Ich will auch!“ – die Kehrseite

Mehr Vergleichbarkeit bedeutet immer auch Neid. Wir haben es in den letzten Jahren am  Beispiel Social Media gesehen: Bilder und Videos von Influencern – top in Form, braungebrannte Haut, hübsche Klamotten – die von ihrem Urlaub in einem Luxushotel oder von einem der schönsten Orte der Erde aus berichten. Und dies nicht nur einmal im Jahr, sondern ständig.

Dies sieht man tagtäglich, während man selbst in seinem Alltagstrott mit wenig aufregenden Dingen festgefahren ist und vielleicht sowieso mit ein paar Dingen in seinem Leben unzufrieden ist. Das bekommt nicht jedem gut. Viel zu sehr wünscht man sich, wie diese Menschen zu sein und ebenfalls in dieser (Schein-)Welt zu leben. Ungeahnt dessen, was man nicht sieht: Hat die Person wirklich in dem Hotel den Urlaub verbracht oder es nur für ein paar Fotos besucht? Wie lange musste sie sparen, bis sie überhaupt dort hinfahren konnte? Oder wer hat ihr den Urlaub bezahlt? Wie wenig hat sie in den letzten 6 Monaten gegessen, um so dünn zu sein?

In eine ähnliche Richtung könnte es auch gehen, wenn wir das Thema Finanzen wesentlich offener angehen als zuvor. Denn natürlich wird durch die Transparenz auch die bestehende soziale Ungleichheit mehr sichtbar. Wie würde jemand reagieren, der plötzlich feststellt, dass er/sie in den letzten Jahren wesentlich weniger verdient hat, als Kollegen und Freunde? Vermutlich würde er/sie sich hier sehr unwohl fühlen.

Denn ähnlich wie bei Social Media sieht man auch hier nur das Ergebnis, die Zahl. Man sieht aber nicht, was alles dahinter steht: wie viel Arbeit, welche Qualifikationen, wie viel Verantwortung, wie viele Rückschläge es auf dem Weg schon gab, ob derjenige Spaß an seiner Arbeit hat…..

Fazit

Ich denke wir sollten mehr über Geld reden, und damit auch mehr über das Thema Gehalt. Nur so ist es möglich, dass mehr Menschen einen bewussten Umgang mit ihrem Geld lernen und für die gleiche Arbeit auch gleich bezahlt werden. Allerdings sehe ich das Gehaltsthema schon noch als ein Stück weit sensibel, denn zu viel Wissen kann schnell auch zu Neid und negativen Gefühlen führen. Darum braucht es für mich eine Kartei, wie es sie in Schweden gibt, nicht. Dagegen im eigenen Umfeld (beruflich und privat) auch gelegentlich über das Thema Gehalt zu sprechen, ist aber nicht einzuwenden. Schließlich kennt man sich hier, kann die Personen und ihre Hintergründe einschätzen und auf diese Weise viel voneinander lernen.

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Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Jay

    Hi Hanna,

    ich fand es besonders schwierig, für meinen ersten Job ein passendes Gehalt zu fordern, hier hat man leider viel zu wenig Anhaltspunkte. Wenn man erst einmal im Job etabliert ist und vielleicht schon ein paar Arbeitgeberwechsel hinter sich hat lässt die Unwissenheit über den eigenen Marktwert langsam nach:)

    Mit Kollegen habe ich allerdings nur selten über Gehalt geredet muss ich zugeben.
    Bevor ich mich über Geld mit direkten Kollegen unterhalte muss schon ein gewisses Vertrauensverhältnis außerhalb der Arbeit aufgebaut sein – hier könnte man wohl ansetzen.

    Beste Grüße
    Jay

  2. Queen All

    Hallo Hanna,
    ich erlebe immer wieder, das mein Umfeld etwas erschrocken reagiert, wenn ich offen (im Privaten) über Geld rede. Aber nachdem der erste Schock verdaut ist, steigen eigentlich alle sehr gerne in das Thema ein. Es erfordert Mut und Umdenken, generell offener mit dem Thema umzugehen. Da ich aber aus einer Familie mit dem Glaubenssatz „über Geld spricht man nicht“ komme, halte ich es für extrem wichtig, an diesem Mindset zu schrauben.
    Bei der Arbeit wäre ich allerdings vorsichtig. Da weiß man nie, was der andere mit der Information anfängt und nicht jeder kann die eigene Arbeitsleistung richtig einschätzen (aus meiner Sicht als Führungskraft).
    LG
    Vanessa

    1. Redaktion

      Liebe Vanessa,
      das ist auf jeden Fall eine Umstellung für viele, da die alten Glaubenssätze zum Teil (leider) noch fest verankert sind.

      Ich denke auch, dass man im Arbeits-Kontext vorsichtiger sein muss.
      Hier sollte man vielleicht erstmal versuchen über Geld im Allgemeinen zu sprechen.

      Beste Grüße, Hanna